Issa im White House

Wenn Mari und ich die von uns unterstützte Berufsschule in Kamakwie im Norden von Sierra Leone besuchen, übernachten wir immer im „White House“. Kein Scherz. Das Gästehaus sieht von vorn tatsächlich aus wie das „Weiße Haus“ in Washington D.C. in den USA. Der Eigentümer ist ein Saloner und arbeitet als Arzt in den Vereinigten Staaten. Geführt wird die Unterkunft von seinem Neffen und ist sehr zu empfehlen, da alles andere unserer Meinung nach Europäern schlicht nicht zumutbar ist.

Es gibt gleichwohl einige Unterschiede zum Sitz des amerikanischen Präsidenten: Es gibt keinen Strom (außer der Dieselgenerator läuft), es gibt kein fließendes Wasser (nur das in Bottichen aus dem Tiefbrunnen), somit also auch keine WC-Spülung, es gibt kein WLan (da es ja keinen Strom gibt), ebensowenig gibt es somit gekühlte Getränke aus einem Kühlschrank bei beständig über 30 Grad Celsius im Schatten und gekocht wird über offenem Holzkohlefeuer im Garten. Dafür gibt es freilaufende Hühner und jede Menge Moskitos sowie einen sensationellen Sonnenuntergang. Der Preis pro Nacht und Zimmer beträgt allerdings auch nur 20 Euro (für Weiße).

Um den Laden am Laufen zu halten, gibt es immer einen „house boy“, nicht das Mädchen, sondern den Jungen für alles: Wasser aus dem Tiefbrunnen schöpfen, gekühlte Getränke aus der Stadt holen, den staubigen Hof fegen. Dieses Mal heißt er Issa Dumbuya. Issa ist 12 Jahre alt und ein aufgewecktes Kerlchen. Wer jetzt erschreckt „Kinderarbeit“ schreit, liegt falsch. Issa hat hier die einmalige Chance, Geld für seine Familie zu verdienen und auch noch zur Schule zu gehen. Wir sind eben in Westafrika und nicht in Irland oder Schleswig-Holstein.

Issa verlor sein linkes Augenlicht vor ein paar Jahren beim Spielen, als ein anderer Junge ihn mit einem Stein im Gesicht traf. Trotzdem lacht Issa (fast) den ganzen Tag über sein ganze Gesicht und spielt auch noch immer für sein Leben gern Fußball, Basketball und manchmal sogar Rugby. Äußerst bemerkenswert mit nur einem Auge! „Ich wünsche mir nichts sehnlicher als einen Fußball“, erklärte er Mari. Die spontane Reaktion: Dem armen Kind muss geholfen werden!

Zum Glück haben wir vor dem Weg zum nächsten Laden aber noch den Chef vom „White House“ und damit Issas Ziehvater befragt. Dessen Antwort: Natürlich habe Issa einen Fußball, mehrere sogar. Doch die werden ihm zeitlich zugeteilt, „sonst lernt der Junge nicht mehr für die Schule!“ Mari und ich mussten an unsere eigenen Kinder denken, die auch nur bedingt Lust hatten, für die Schule zu paucken, und sich die Zeit ebenfalls viel lieber mit anderen Dingen vertrieben.

Ich habe Issa am Ende unseres Aufenthaltes ein paar Tausender in die Hand gedrückt. Leone versteht sich. Ich hoffe, er hat sich dafür einige Tüten „Papp“ gekauft (süßen Reisbrei) oder eine Cola. Eis gibt es hier nicht. Kinder sind überall gleich, egal wo auf dieser Welt. Zum Glück!

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